Es hat geregnet als ich heute um 8 Uhr das Haus mit Bluse und Anzugshose verlassen habe. Auf dem 30min Weg zum College haben mich mehrere Autos beim schnellen Vorbeifahren rücksichtslos bespritzt – dementsprechend sah ich dann auch aus und war im Vergleich zu den anderen underdressed. Ich kam 5min vor Aufbruch an und war damit pünktlich. Wir sind dann in einer großen „Prozession“ fast denselben Weg zurück Richtung Kathedrale gelaufen, über die Prebends Bridge zu den Cloisters (Kreuzgang). Dort haben wir gewartet und durften schließlich im rechten Seitenflügel der prall gefüllten Kathedrale Platz nehmen. Als die Oberen der Universität hereinkamen mussten alle Aufstehen und die Orgel wurde gespielt. Der Dean der Kathedrale begrüßte uns und dann kam kurz und schmerzlos die repräsentative Einschreibung eines neuen Collegemitglieds in die Matriculation role stellvertretend für alle neuen College-Freshers. Anschließend durften wir uns alle gegenseitig in der akademischen Gemeinde „Willkommen heißen“. Nachdem die Oberen in ihren bunten gowns die zentrale Position verlassen hatten, durften wir alle nacheinander wieder nach draußen gehen. Im Torbogen wurden wir dann von den Collingwood Freshers‘ Reps mit lauten Trommeln auf Kochtöpfe und Jubelgesängen usw. begrüßt. Ein sehr schönes Gefühl, ein warmes Willkommen in die Gemeinschaft. Ich fand es super, dass man hier offiziell von den Universitätsoberen begrüßt und in die Reihen der akademischen Gesellschaft aufgenommen wird und das es in einem halbwegs alle Studenten umfassenden Rahmen (die Zeremonie findet 2x statt) stattfand. Manche Colleges trugen die bekannten Umhänge – die gowns. Collingwood hat dieser Tradition aber leider abgeschworen und man rühmt sich damit keine gowns tragen zu müssen bis zur graduation. Stattdessen sind schicke Klamotten angesagt (Röcke, Kleider, Anzüge). Wer Tradition, Flair, super Unterstützung und Fürsorge, ein seltenes Collegesystem sowie jede Menge Spaß haben will, sollte auf jeden Fall in Durham studieren.
Bei unserer Rückkehr haben wir nach einigem Hin und Her beim Aufstellen das formelle Immatrikulationsfoto gemacht – auch etwas, das man sehr sehr wertschätzen sollte, wenn man dies mit der „Aufnahme der Erstis“ an der Uni Marburg vergleicht. Ich durfte sogar auch mit auf das Bild, was ganz erstaunlich war, weil ich von anderen Colleges weiß, dass man als Erasmusstudent nicht mit auf das Bild darf. Sicher eine schöne Erinnerung, wenn man nachher das Matriculation photo und das Graduation photo ansehen kann.
Auf dem Rückweg in die Stadt habe ich mir noch einen Block auf der Fresher‘s Fair ergattert und ein Poster gekauft zur Zierde meines kahlen Zimmers. Für Lloyds war ich ein wenig zu früh und so wurde ich auf morgen vertröstet. Zu Hause habe ich schnell ein paar gekaufte Chips (dicke Pommes) verspeist und konnte mich dann schon fast wieder zur Library Induction aufmachen.
Die Library ist ein 4stöckiges Gebäude, im Inneren hochmodern eingerichtet und durch Drehkreuze mit Karteneinzug von der Außenwelt abgeschirmt. Es gibt Gruppenarbeitsplätze, Studienräume zum Testen von Präsentationen, PC Säle, Rückgabe und Entleihungsmaschinen wie in Marburg (Marburger Automaten sind aber moderner), Stillarbeitsflächen in verschiedensten Varianten (wie in Filmen abgetrennte Schreibtische oder normale Tische). Die PC-Bildschirme sind riesig und die Computerräume modern ausgerüstet. Man braucht aber leider 2 Karten zum Kopieren (sie sind wie Schwimmbad-Saisontickets aus Papier – Daumen runter) und zum Drucken (Campus-Card). Die Druckereinheiten muss man anscheinend online mit Kreditkarte oder cash beim ITS-Desk bezahlen – Daumen runter. Alle Bücher sind frei zugänglich. Jedenfalls gibt es genug Platz und genügend Bücher, um zu verzweifeln. Allerdings steht hier in Durham immer jemand für dich bereit, wenn irgendetwas nicht klappen sollte. Es gibt auch Online-Tutorien zum Literatursuchen – lernen. Es gibt außerdem high-demand Bücher, die in der speziell abgetrennten Short loan Abteilung stehen. Diese können nur über Nacht oder maximal 4 Stunden (zum Kopieren) ausgeliehen werden. Ansonsten kann man bis zu 20 Bücher ausleihen und das bei der Standard Leihe 3 Wochen lang, wobei man bis zu 10x verlängern darf. Übel wird es aber, wenn man so ein Short loan book nicht rechtzeitig zurück gibt, denn pro Stunde wird eine Gebühr von 1Pfund fällig! Da sind unsere Gebühren in Marburg doch gar nicht so schlimm. Andererseits ersetzt diese Short loan Einrichtung die Präsenzbibliotheken, was ich wiederrum gut finde. Im kommenden Jahr soll ein hochmoderner super gut aussehender Anbau hinzu kommen, der weitere Studienmöglichkeiten schafft. Es gibt im Moment sogar eine Mediathek, in der man Filme in der Bibliothek ansehen kann – oder man leiht sie sich für 3 Tage aus (Besser als eine kostspielige Videothek auf alle Fälle).
Weil mir mein Fuß weh tut und es ohnehin nur höchstens 1 Stunde zu Hause gewesen wäre, bin ich gleich zum College gegangen, was wirklich Glück für mich war. Hierdurch hatte ich die Möglichkeit kostenlos am BBQ bzw. an Woodstock teilzunehmen, bevor ich medizinisch registriert wurde. Endlich habe ich mein richtiges Fresher‘s Pack bekommen und man hat mir sogar einen College parent zugeordnet, der mir bei Problemen helfen soll. Während des BBQ war es sehr schön dort, weil ich auch Leute hatte mit denen ich reden konnte und die ich frisch kennengelernt hatte.
In der medizinischen Registrierung – ich musste 3 Formulare ausfüllen über meine Krankheitsgeschichte – bekam ich den Blutdruck gemessen (erst waren es 145 zu x und dann bei der zweiten Messung 135 zu x) und man wollte mich gerne gegen Meningokokken (Meningitis C) impfen. Ich habe erklärt ich hätte meinen Impfschutz vom Hausarzt bereits kontrollieren lassen und da Dr. Wasmuth sogar wusste in welche Gegend von England ich fahre und er nichts von Meningitis gesagt hat, werde ich mich nicht impfen lassen. Nach der Impfung war niemand mehr in Sicht, den ich kannte und ich wollte mich nicht einfach zu irgendeiner Gruppe dazustellen. Folglich bin ich nach Hause gegangen.
Hier habe ich erst einmal meine helle Wäsche gewaschen und trockne sie nun in meinem Zimmer – nicht jeder muss meine Unterhosen anstarren, während er frühstückt. Morgen gehen dann die Kurse los. Ich muss mich unbedingt für die Module registrieren (was ein Akt mit dem Formularen).